Interview mit dem Gründer und Shaper von Backwood – Martin Weiß

Interview mit dem Gründer und Shaper von Backwood – Martin Weiß

- Lesezeit 7 Minuten -

von Laura Nederkorn

Clark Foam, 2005: der in Kalifornien ansässige Hersteller von Surfboard Rohlingen musste unerwartet schließen. Clark Foam galt zu seiner Zeit als bekanntester Lieferant von Surfboard Blanks, sowohl auf dem amerikanischen Markt, als auch international – bis 2005. Grund für die Schließung war die Verwendung von Polyurethan (PU), da für die Verarbeitung dieses Materials hochgiftige Chemikalien eingesetzt werden müssen.

Die damit einhergehenden Beschwerden seitens der Mitarbeiter*innen und US-Umweltschutzbehörden führten letztlich zur Schließung der Fabrik und darüber hinaus zu einem Umdenken in der Surfgeschichte...

Die Branche und Surfer*innen waren sich erstmals der umweltschädlichen Bretter unter ihren Füßen bewusst. Der Grundstein für mehr Nachhaltigkeit in der Surfwelt war gelegt. So auch in Aachen, wo Martin (gelernter Architekt) anfing, nach einer nachhaltigeren Alternative für Foamboards zu suchen – erfolgreich. Inzwischen shaped Martin verschiedenste Holzbretter in Hohlbauweise – vom Surfbrett, über SUPs bis hin zu Kites und bietet zudem Workshops an.

Wie Backwood entstanden ist, wofür das Label steht und welche Rolle bei all dem ein Buch vom Flohmarkt spielte klären wir in diesem Interview.

Wie ist das Interesse am Surfen entstanden?

Den ersten Kontakt mit dem Wellenreiten hatte ich Ende der 80iger als Kind. Wir sind mit der Familie jahrelang an die Atlantikküste in die Bretagne (heute mein Zweitwohnsitz) gefahren – da fing die Begeisterung an. Damals war Surfen eine Randsportart, die mich aber auf eine spielerische Art und Weise faszinierte. Für einige Zeit hatte ich das Surfen dann aus den Augen verloren bis ich im Studium eine Iberien-Rundreise gemacht habe, welche mich auch nach Portugal führte. Dies war dann quasi der Anfang meiner Karriere als Shaper.

Und wie ging es dann weiter?

Ich hatte wieder tierisch Bock auf Surfen und wollte mir ein Brett kaufen, hatte aber keine Kohle dabei. Gebrauchte Bretter waren zu teuer oder zu kaputt. Mir, als autodidaktischer Person, kam dann die Idee „wenn ich zu Hause bin, baue ich mir selbst ein Brett“. Zu der Zeit hatten wir Kunststoffprojekte in der Uni und Möbel aus Foam und Epoxidharz konstruiert. Ich fand die Foamshaperei super spannend.

Auf einem Flohmarkt habe ich dann ein Buch aus den 80igern gefunden. Damals gab es eine große Windsurfszene in Deutschland, die selbst Bretter gebaut haben. Das Buch handelte vom Bau von Windsurfbrettern anhand dessen ich versucht habe, das Wissen auf ein Wellenreitbrett zu transportieren. Der erste Shape sieht auch echt lustig aus – den habe ich heute noch als Erinnerung (war im Endeffekt dann doch nicht günstiger).

Mein Ehrgeiz war gepackt, es immer besser zu machen. Zu jedem Urlaub hin habe ich versucht so viele Bretter wie möglich zu bauen und so kam dann eins zum anderen – bis zur Clark Foam Geschichte 2005.

Da entstand dann die Idee zu Backwood?

Backwood ist ein Zufallsprodukt aus meinem Hobby und war ursprünglich nicht als Job gedacht. Ich bin gelernter Architekt und mein Herz schlägt fürs Wellenreiten.

Die Clark Foam Geschichte war der erste Punkt, wo das Bewusstsein kam „Scheiße, unser Sportgerät ist nicht besonders nachhaltig und ein Stück Sondermüll“. Du bist angewiesen auf eine funktionierende Natur. Nach einigen Recherchen (mittlerweile gab es Internet) habe ich Projekte in Australien gefunden, die Holzbretter in Hohlbauweise gebaut haben. A: ich fand Holz als Material sehr spannend und B: (was ausschlaggebend war) die handwerkliche Herausforderung und Optik fand ich super geil. Ich hatte keine Werkstatt, kein Material, keine Beziehungen.

Als ich einen sehr guten Freund, Ergotherapeut in einer Psychiatrie, nach Holz fragte kam eins zum anderen. Die hatten viele Patienten, aber zu wenig Projekte...

 „...und dann habe ich mit psychisch kranken Patienten Surfbretter gebaut.“

Daraufhin wurden Leute aufmerksam auf meine Arbeit und 2013 habe ich dann meine eigene Firma gegründet.

Was verbindest du mit Surfen?

Für mich steht nicht der Sport, sondern die Grundidee vom Surfen im Vordergrund. Für mich ist es das Drumherum, das auf dem Wasser sein. Brusthohe, saubere Wellen und den Sonnaufgang anschauen – das ist eher so meine Idee bei dem Ganzen.

Wie nachhaltig sind Holzsurfbretter?

Ich habe das alles nicht gemacht, weil ich gesagt habe „ich mache jetzt ein 100% grünes Produkt“ – weil das nicht geht. Aber ich habe Holz genutzt, um über die Nachhaltigkeitsthematik zu sprechen. Ich habe mich für Paulownia Holz entschieden, weil es überall ziemlich schnell wächst und viel CO2 bindet. Es wird jedoch in Plantagenwirtschaft angepflanzt, was auch nicht super nachhaltig ist. Heutzutage ist die Grundidee leider nicht mehr, etwas besser zu machen, sondern es wird im wirtschaftlichen Sinne gesagt: „Holzbretter und Nachhaltigkeit sind trendy und deswegen mache ich das und bin Weltretter“- das ist Quatsch.

„Ich rette nicht die Welt, indem ich ein Holzsurfbrett kaufe, sondern indem ich 3x weniger im Jahr nach Bali fliege.“

 Den Vorteil, den ich bei Holzsurfbrettern sehe ist die Wertigkeit, vor allem wenn du es selbst im Workshop baust. Es ist relativ langlebig, aber selbst wenn es nicht mehr surfbar ist, hängst du’s dir an die Wand als Erinnerung, weil du da persönlich viel mit verbindest. Und das ist das Nachhaltigste was du machen kannst.

Mein Lieblingsbrett ist das zweite Holzbrett, welches ich gebaut habe und das ist 15 Jahre alt, das surfe ich immer noch. Ein Longboard. Ich bin altersbedingt Longboarder.

Das heißt du surfst am liebsten Longboard?

Für mich hat die ganze Surfkultur viel mit Kunst und Ausdruck zu tun, ich kann dem Shortboardgehacke wenig an Ästhetik abgewinnen. Ich kann stundenlang einem guten Longboarder zu schauen, das ist nicht so hektisch. Ich glaube schon, dass Shortboard faszinierend sein kann. Man muss sehr schnell reagieren, aber ich mag das ganz gerne, dass ich auf dem Longboard ein bisschen mehr Zeit habe.

Wie surft sich ein Holzbrett im Vergleich zu herkömmlichen Brettern?

Aller schwierigste Frage. Es ist anders. Holzbrett ist nicht gleich Holzbrett. Das Ausschlaggebende ist unterm Strich immer noch der Shape, aber ein Holzbrett ist anders zu surfen, weil es konstruktiv ist. Die hohlen Bretter haben nochmal mehr Auftrieb als die Foamboards. Du liegst etwas höher im Wasser, kommst schneller in die Welle, bist paddelschneller. Das ist immer der große Vorteil, gerade wenn du nicht die große Paddle Power mitbringst.

Du wirst nie ein Holzbrett im WSL Contest sehen, da kommt es auf andere Sachen an. Jedes Stück Holz ist anders, da ist es schwierig einen Standard einzustellen.

Welche Shapes empfiehlst du deinen Kunden?

Ich shape im Prinzip alles, aber überwiegend im Retro Shape Bereich. Ein Shortboard ist in Holz auf jeden Fall schwieriger umzusetzen als ein Longboard. Custom Anfertigungen sind auch möglich. Ich möchte dem Kunden ein Board liefern, was für ihn richtig ist. Kunden überschätzen sich gerne und surfen viel zu oft zu kleine Bretter. Jeder behauptet er kann super surfen.

„Aber Surfen können gibt es nicht.“

Ab wann kann man surfen? Wenn mich jemand fragt, sage ich immer „ich mache das schon super lange und hab total viel Spaß daran, aber surfen kann ich bei Weitem nicht.“ Viele Leute denken sie müssen in einen bestimmten Shortboardbereich und das ist Quatsch. Du hast nichts davon und wirst nie weiter kommen, wenn du keine richtige Welle bekommst.

Gibt es Shaper, die dich inspirieren?

Ich bin sehr fasziniert von den Anfängen der 60iger, 70iger Jahre, wo es eine sehr experimentelle Phase gab. Abgefahrene Sachen. So etwas wie Flextail Geschichten, „displacement hull“ Sachen. Die großen Shaper inspirieren mich auch nach wie vor: Stuart, McTavish... – die alten Herren. Was mich im Moment zudem noch mehr inspiriert ist nicht der Shape an sich sondern der künstlerische Ausdruck, der dahinter steckt – im Gesamtwerk des Schaffens von Surfkultur.

Abschließend: Bester Tipp für einen angehenden Shaper?

Die schlechteste Idee ist zu sagen: „Ich werde jetzt Shaper, weil das mein Berufswunsch ist“. Wenn man da Bock drauf hat, sollte man das nicht mit der beruflichen Idee verbinden. Sondern für sich selbst ausprobieren und testen und nicht erwarten, dass es das perfekte Brett wird. Das braucht Zeit und Erfahrung bis man bestimmte Sachen, die ein Surfbrett ausmachen, versteht. Und ich bin auch der Meinung, dass man selbst surfen muss, um zu verstehen, was man da baut. Ich bin nicht derjenige, der sagt, du kannst erst nach 1000 Versuchen ein funktionierendes Brett bauen, aber ein bisschen Zeit und Erfahrung braucht es schon.

Danke Martin für deine inspirierenden Ansichten und deinen kaum zu bremsenden Redefluss.